Künstliche Intelligenz

Welche Bedeutung hat sie?

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Von Hannes Koch

19. Jan. 2024 –

Im Display des Autos blinkt ein gelbes Symbol. „Was ist das Problem?“, fragt die Fahrerin. Der Wagen antwortet, dass ein mechanisches Teil in der Lenkung defekt sei. Auf Nachfrage erklärt der Bordcomputer, sie könne zunächst weiterfahren, solle in den kommenden Tagen jedoch die Werkstatt aufsuchen. Einen Termin dort zu arrangieren, bietet die Maschine ebenfalls an. Vielleicht kommen Montag nach dem letzten Meeting, das im Kalender steht?

Dieses Beispiel für Künstliche Intelligenz (KI) brachte Cristiano Amon diese Woche beim Weltwirtschaftsforum im Schweizer Bergort Davos. Der Chef des US-Konzerns Qualcomm, der unter anderem Halbleiter, Mobilfunk und Fahrassistenz-Systeme produziert, saß in einer der vielen Podiumsdiskussionen zum Thema KI.

Während des Kongresses der ManagerInnen und PolitikerInnen war in den vergangenen Tagen oft zu hören, bei der Künstlichen Intelligenz handele es sich um eine ähnlich epochale Entwicklung wie die der Dampfmaschine im 18. Jahrhundert. Qualcomm-Vorstand Amon gefiel auch der Vergleich zur Einführung der Elektrizität. Jede und jeder werde mit KI in Berührung kommen, wollte er damit sagen. Zwar fragte Zanny Beddoes, die Chefredakteurin des britischen Magazins Economist, mehrmals nach, ob es sich bei dieser Einschätzung nicht um eine Übertreibung handele. Doch die in der Diskussionsrunde versammelten ManagerInnen beharrten auf ihren hochfliegenden Erwartungen.

40 bis 60 Prozent der Beschäftigten müssten sich darauf einstellen, dass KI ihre Arbeitsplätze künftig verändere, teilte der Internationale Währungsfonds parallel zum Weltwirtschaftsforum (WEF) mit. Einen Eindruck von der möglichen Tragweite bekamen manche BürgerInnen 2023, nachdem das neue Computerprogramm ChatGPT veröffentlicht worden war. Dieses ist zu einer Art Unterhaltung mit Menschen in der Lage. LehrerInnen erstellen damit inzwischen Arbeitsblätter für ihren Unterricht, SchülerInnen Referate.

Die „generative künstlichen Intelligenz“ kann „Inhalte wie Text, Bilder, Musik, Audio und Videos“ generieren, erklärt das US-Unternehmen Google. Um das zu ermöglichen, wurden zuvor riesige Mengen von Artikeln, Büchern, Filmen, Songs und allen möglichen anderen Informationen im Hinblick auf die darin enthaltenen Muster und Beziehungen durchkämmt. Anschließend erstellen die Programme anhand der erlernten Muster auf Anfrage und Vorgabe neue Inhalte, so Google.

In Kombination mit seiner Datenbank, der Cloud, bietet das Suchmaschinen-Unternehmen bereits zahlreiche KI-Dienste an, mit denen Firmen-Kunden ihre Geschäftsprozesse beschleunigen und erleichtern können. Konkurrent Microsoft verkauft Anwendungen, die sich „Copilot“ nennen. Die Botschaft: Die Künstliche Intelligenz sitzt neben Ihnen und hilft bei der Erledigung Ihrer Aufgaben.

Programmierer, die selbst Computer-Software entwickeln, könnten durch solche Verfahren um 40 Prozent effektiver werden, sagte Arvind Krishna, Chef des US-Unternehmens IBM beim WEF. Weitere Beispiele: ÄrztInnen verbessern vielleicht ihre Diagnosen, wenn sie die KI nutzen. Gerichte wickeln Prozesse mit tausenden KlägerInnen schneller ab. Besonders die Wissenschaft werde profitieren, erklärte Microsoft-Chef Satya Nadella im Gespräch mit WEF-Gründer Klaus Schwab. Er verwies auf die schnellere Entwicklung neuer Materialien, um etwa Lithium in Batterien zu ersetzen. Krankheiten wie Krebs und Parkinson mögen sich als heilbar erweisen.

Dabei geht es um hochqualifizierte Tätigkeiten, die produktiver werden. Wobei größere Produktivität eine Leistungssteigerung, bessere Qualität des Ergebnisses, mehr Ertrag für das Unternehmen und mehr Einkommen für die Beschäftigten bedeuten kann. Aber es dürfte auch viele Tätigkeiten geben, die sich einsparen lassen, wenn die Künstliche Intelligenz in Fahrt kommt. Häufig genannt werden in dieser Hinsicht etwa die Kreditberatung in Banken, Marktforschung, Arbeit an Supermarktkassen und Service-Hotlines.

Volkswirtschaftlich betrachtet, lassen effektivere Programme, flächendeckend eingesetzt, ebenfalls eine höhere Produktivität erwarten – wobei diese die eigentliche Quelle zunehmenden Wohlstands darstellt. Heute erreichen viele Industrieländer Zuwächse von 0,5 bis zwei Prozent jährlich. Microsoft-Chef Nadella rechnet dagegen mit vier Prozent, wenn die KI sich durchsetzt. Wobei derartige Hoffnungen auch mit der Verbreitung des Internets einhergingen. Erfüllt haben sie sich nicht.

Momentan befindet sich die Entwicklung der KI noch in einem frühen Stadium. Aber sie macht schnelle Fortschritte. Das führt zur Frage nach ihrer Regulierung. Denn absehbar könnte es bald viel schwierig werden, zwischen Wahrheit und Lüge zu unterscheiden. Leute wie Donald Trump freuen sich. Kann man das durch staatliche Regularien eindämmen? Unklar.

Immerhin hat die EU bereits ein KI-Gesetz entworfen. Bestimmte risikoreiche Anwendungen wie etwa die Gesichtserkennung im öffentlichen Raum würden damit eingeschränkt, teilweise fast verboten. Beim WEF forderte UN-Generalsekretär António Guterres die Konzerne auf, an einer Regulierung mitzuwirken. Vor einiger Zeit schlug er schon einmal einen globalen KI-Rat ähnlich der IAEA vor, die die Atomindustrie begleitet. Manager wie Nadella sagen bei solchen Gelegenheiten, sie unterstützten eine Regulierung, es dürfe aber nicht zu viel sein, weil sonst die Innovation leide.

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