Hagel im Großformat

Naturkatastrophen kosten die Welt 250 Milliarden Dollar

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Von Björn Hartmann

10. Jan. 2024 –

Italien ist mitten im Sommer 2023 kein besonders angenehmer Urlaubsort: im Süden sengende Hitze mit fast 48 Grad im Schatten, im Norden Tornados, Überschwemmungen und Riesenhagelkörner. Manche der eisigen Klumpen erreichen einen Durchmesser von 19 Zentimetern – Handballformat. Die Unwetter in Italien gehören zu den schwersten im Gesamtjahr, wie der deutsche Rückversicherer Munich Re im jährlichen Schadensbericht schreibt.

Auch andernorts nimmt die Zahl der schweren Gewitter oder großer Dürre zu. „Die seit Jahren beschleunigte Erderwärmung verstärkt in vielen Regionen die Wetterextreme und damit auch das Schadenspotenzial“, sagt Chef-Klimatologe Ernst Rauch. „Bei höheren Temperaturen verdunstet mehr Wasser, und mit der zusätzlichen Feuchtigkeit steigt in der Atmosphäre die potenzielle Energie für starke Unwetter.“ Gesellschaft und Wirtschaft müssten sich an die veränderten Risiken anpassen – andernfalls stiegen die Schadenlasten. Allein in Nordamerika und Europa zerstörten Schwergewitter Hab und Gut im Wert von 76 Milliarden Dollar, der Munich Re zufolge ein Rekordwert.

2023 lagen die Temperaturen etwa 1,3 Grad über denen der vorindustriellen Zeit 1850 bis 1900. Es war nach Angaben des Weltmeteorologenverbands WMU das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Anderer Forscher etwa des Weltklimarats und der EU sprachen vom wärmsten Jahr seit 125.000 Jahren. Erkenntnisse dazu liefern etwa Bohrkerne aus dem ewigen Eis. Es gab Hitzerekorde im April mit mehr als 40 Grad in Südwesteuropa und im September im argentinischen Frühling. Im Juli ermittelten die Wetterforscher im US-Wüstenstaat Arizona Nachttemperaturen jenseits der 32 Grad.

Weltweit starben bei Naturkatastrophen 74.000 Menschen, 63.000 mehr als im Jahr zuvor, die meisten – 54.000 – beim schweren Erdbeben im Süden der Türkei und im Norden Syriens. Das sind deutlich mehr Tote als im 30-jährigen Schnitt von 40.000. Gleichzeitig wurden sehr viele Menschen obdachlos, die Munich Re spricht von humanitären Katastrophen. Auch in Marokko und Afghanistan starben tausende Menschen bei schweren Erdstößen.

Während Erdbeben besonders viele Opfer forderten, wurden die Schadensumme von Extremwetter getrieben. Insgesamt betrugen die Schäden durch Extremwetter und Naturkatastrophen 2023 den Zahlen der Munich-Re zufolge rund 250 Milliarden Dollar (rund 230 Milliarden Euro). Das entspricht dem Wert von 2022 und dem Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre. In den vergangenen 30 Jahren betrugen die Kosten durch Katastrophen jährlich 180 Milliarden Dollar. Die Inflation ist da schon eingerechnet.

250 Milliarden Dollar entsprechen rund 0,2 Prozent der Weltwirtschaftsleistung. Rein zahlenmäßig ist das ein geringer Wert. Doch würde alles, was zerstört wurde, wieder aufgebaut, fehlte das Geld für andere Investitionen. Andererseits sind Neubauten in der Regel moderner. Unklar ist allerdings, ob überhaupt aufgebaut wird. Oft fehlt das Geld. Denn nur die wenigsten Schäden waren versichert, meist in recht reichen Ländern. Die Munich Re gibt die Gesamtsumme für 2023 mit 95 Milliarden Dollar an, 30 Milliarden Dollar weniger als 2022.

Verheerendste Naturkatastrophe war nach Angaben der Munich Re die Erdbebenserie im Süden der Türkei und im Norden Syriens. Im Februar schütterten mehrere Stöße mit einer Stärke von bis zu 7,8 die Erde. Häuser und Infrastruktur wurden zerstört, 58.000 Menschen starben. Der Gesamtschaden belief sich auf rund 50 Milliarden Dollar. Versichert waren nur Werte von 5,5 Milliarden Dollar.

Haben Erdbeben wenig mit dem Klimawandel zu tun, hatte es die zweitteuerste Katastrophe schon mehr: Taifun Doksuri fegte im Februar über die Philippinen und das chinesische Festland und brachte Regen mit, der das Land überschwemmte. Die Kosten beziffert die Munich Re auf gut 25 Milliarden Dollar, nur rund zwei Milliarden Dollar waren versichert.

Den Hurrikan Otis an der mexikanischen Westküste im Oktober bezeichnen die Versicherungsexperten als außergewöhnlich. Binnen eines Tages entwickelte er sich „aus einem relativ harmlosen Tropensturm zum Hurrikan der höchsten Kategorie“. Otis, der stärkste Sturm, der bisher die mexikanische Pazifikküste traf, verwüstete den Urlaubsort Acapulco. Der Schaden wird auf zwölf Milliarden Dollar geschätzt, versichert waren rund vier Milliarden Dollar. Otis war die drittteuerste Naturkatastrophe. Und auch sie hatte mit dem sich ändernden Klima zu tun.

Und wie wird 2024? Das Jahr begann mit ausuferndem Hochwasser in weiten Teilen Norddeutschlands und einem schweren Erdbeben im Westen Japans. Und Klimaexperten rechnen mit weiteren Extremwetterereignissen.

Die Munich Re (früher Münchner Rück) erstellt die Katastrophenbilanz jedes Jahr. Das Unternehmen ist der größte Rückversicherer der Welt. Bei ihm versichern sich Unternehmen, die zum Beispiel Elementarschadensversicherungen verkaufen, die Hochwasser, Gewitter und Dürre abdecken. Zum Konzern gehört auch die Ergo Versicherung und der Vermögensverwalter Meag.

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